Ich bin auf das Buch „Illuminat im Ruhrgebiet“ über 50Voices gekommen. Rike Schwan, die Autorin, nimmt ebenfalls an diesem Projekt teil. Ich kannte sie vorher nicht und wie bei anderen Teilnehmer:innen des Projekts bin ich immer wieder über die Gemeinsamkeiten in unseren Erinnerungen erstaunt.
Rike wurde ebenfalls in eine Täterfamilie mit satanischer und nationalsozialistischer Ideologie hineingeboren und hat es inzwischen geschafft, sich davon zu befreien, zu erinnern und die Erinnerungen zu teilen.
Rike gehört der nächsten Generation an und lebte in einem ganz anderen Teil Deutschlands, dennoch gibt es erstaunliche Übereinstimmungen zwischen ihren und meinen Tätern, deren Ideologie und Vorgehen. Was wieder einmal zur logischen Schlussfolgerung führt, dass es einen gemeinsamen Überbau geben muss, zu dem der eigene Täterkreis gehört.
Ich habe das Buch nicht nur deswegen in Rekordgeschwindigkeit durchgelesen, sondern auch, weil es gut, flüssig und spannend geschrieben ist. Ich war immer wieder erstaunt, wie viel von ihrer Vergangenheit Rike erinnert, sodass es nicht zu Lücken und holperigen Übergängen in der Erzählung kommt.
Durch das Lesen des Buches habe ich über Details nochmal neu nachgedacht, wie z. B. Farbcodes, die angewandt wurden, über Symbolbegriffe (auch die ähneln sich), aber auch wieso für mich Ballspiele im Sportunterricht nicht Spaß, sondern Stress bedeutete.
Ich muss, glaube ich, nicht erwähnen, dass man als Betroffene:r, sich nicht in einem vulnerablen Stadium der eigenen Heilung beim Lesen befinden sollte. Die Beschreibungen ihrer erinnerten Folterungen und Misshandlungen gehen zwar nicht unnötig ins Detail, sind aber auch so verstörend genug. Dass teilweise deutlich erkennbar kindliche Innenanteile das erzählen, was ihnen verboten war zu berichten, bringt eine gewisse Leichtigkeit in diese schweren Themen.
Ein wichtiger Erzählstrang in Rike´s Buch hat mit ihrer Zwillingsschwester zu tun, was mich auch schon wieder auf eine Merkwürdigkeit und Unstimmigkeit in meiner eigenen Familiengeschichte brachte. Die Sache mit Rike´s Zwillingsschwester ist ein besonders zu Herz gehendes Detail, aber leider etwas das ich im Umfeld von RG nicht das erste Mal höre; die Nazis sind anscheinend besessen von dem Thema der Zwillinge und die Spielchen, die da mit den Betroffenen gespielt werden, sind einfach nur grausam und unmenschlich. Vielleicht weil sie sich über den Menschen stehend empfinden, aus welchem Grund sei einmal dahingestellt. Da sollte jeder seine eigenen Recherchen und Schlussfolgerungen betreiben. Anregungen für diese bietet „Illumati im Ruhrgebiet“ genügend.
Ich bin schon auf Rike´s nächstes Buch gespannt und hoffe in diesem über glückliche Wiedersehen zu lesen.